Montag, 18. September 2017

Elbe-Andacht am Domfelsen

Heute abend fand um 18 Uhr am Magdeburger Domfelsen eine Elbe-Andacht statt. Organisiert hatte sie Angela Stephan von der Bürgerinitiative Pro Elbe. An den Domstufen kamen dazu Natur- und Umweltschützer aus Magdeburg und anderen Orten an der Elbe zusammen.

Ein grob zusammengezimmertes Kreuz lehnt zur
Elbeandacht an den Pfeilern der Fußgängerbrücke.

Angela Stephan führte durch die Veranstaltung, die neben einer Andacht für die Elbe auch der gegenseitigen Information über aktuelle Ereignisse diente. Sie wies auf die Bedeutung des Gesamtkonzeptes Elbe hin, das Anfang des Jahres gemeinsam von Umweltverbänden, Behörden und Wirtschaft erarbeitet wurde.

Näheres dazu berichtete Iris Brunar, die als Vertreterin des BUND an den Beratungen und Abstimmungen teilgenommen hatte. „Den Zustand der Elbe zu verbessern, ist ein langer Prozess“, sagte sie, „und das Gesamtkonzept ist nur ein erster Schritt auf diesem Weg“. Noch dazu ist es ein schwieriger Weg, auf dem viele gegensätzliche Interessen in Einklang zu bringen sind. Das wir schon an den Interpretationen des Gesamtkonzeptes durch Vertreter von Schifffahrt und Wasserstraßenverwaltung deutlich, die einzelne Passagen wie eine Wassertiefe von 1,40 Meter aus dem Zusammenhang lösen und daraus die Aufforderung zur sofortigen Fortsetzung des Elbausbaus ableiten.

So sieht das auch Yves Bloege vom NABU, der ausdrücklich fordert, dass es „nicht nur einen Erhalt des gegenwärtigen Zustandes geben darf“. Damit meint er unter anderem den Bestand an Buhnen und ähnlichen Flussbauwerken, die weiterhin die Elbe eintiefen und den Flussauen immer mehr das Wasser entziehen. Wie Iris Brunar betonte, musste diese Auswirkungen des Elbeausbaus sogar das ausbaufreundliche Verkehrsministerium Sachsen-Anhalts eingestehen. Dieses legte in der Antwort auf eine kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen Zahlen zur Eintiefung der Elbe und der Wirkungen auf den Grundwasserstand offen und gestand dabei auch die Gefährdung des Dessau-Wörlitzer Gartenreiches ein, dessen alte Elbarme und Kanäle zu verlanden drohen.

Jutta Röseler, seit 25 Jahren Organisatorin des Elbe-Saale-Camps, hatte sich die Wahlprogramme der Parteien angeschaut und nach Aussagen zum Schutz der Flüsse gesucht. Das Ergebnis war größtenteils ernüchternd. Bis auf die Grünen (sic!) gab es schlichtweg kaum etwas. „Das kam auch in der politischen Diskussionsveranstaltung des Elbe-Saale-Camps zum Ausdruck, als zwar fast alle Parteien anwesend waren, aber bis auf »es ist schön hier« nicht sehr viel zu hören war.“ Von den Grünen war der Magdeburger Bundestagskandidat Matthias Borowiak zur Elbe-Andacht gekommen. Er erläuterte seine Vorstellungen vom Erhalt des Natur- und Kulturraumes an der Elbe.

Auf die Wahl kam auch Domprediger Giselher Quast zu sprechen, der seine Andacht mit Gedanken zur Wahl einleitete, einer Wahl, die wir immer haben, und bei der man als Elbeschützer jede Partei auch nach ihrer Umweltpolitik beurteilen solle. Er sprach von den Schönheiten der Elbe, für die sich die Flußschützer schon entschieden haben und von der Bewahrung der Schöpfung. In seinen Segen schloss er die Elbe mit ein und erteilte ihn im Angesicht des Flusses, der tief unten in seinem Flussbett langsam dahinströmte – ein Flachwasserfluss, der die Elbe die meiste Zeit über ist.

Der Text der Elbeandacht von Giselher Quast: 
Liebe Elbefreunde,
wir halten diese Elbeandacht bewusst in der Woche vor der Bundestagswahl! Am Sonntag haben wir die Wahl. Wir haben immer die Wahl. Wir hatten sie zu DDR-Zeiten sogar unter der Diktatur des Proletariats, wenn wir uns denn getraut haben. Und wir haben sie jetzt umso mehr.

Als Elbeschützer werden wir jede Partei, die am Sonntag antritt, auch nach ihrer Umweltpolitik beurteilen. Schon das ist ein Erfolg, daß keine der großen Parteien mehr ohne ein Umweltprogramm auskommt. Doch konzentrieren sich die Parteien 2017 vorwiegend auf den technischen Umwelt- und Klimaschutz. Daß die ökologische Bedrohung nach grundlegenden Veränderungen unserer Wirtschaft und unseres Konsumstils verlangt, wagt dabei keine der Parteien den Wählern zuzumuten! Und in den großen Wahlarenen der Fernsehanstalten kamen Klimapolitik und Umweltschutz als Themen gar nicht erst vor.

Schaut man genauer in die Wahlprogramme, dann sieht man, daß die CDU/CSU auf moderne Technologien und einen effizienten marktwirtschaftlichen Wettbewerb setzt, die die Umwelt retten sollen, nicht auf dirigistische staatliche Eingriffe. Die SPD versucht den Spagat zwischen alt und neu. Sie will Umweltgerechtigkeit, hält aber konventionelle Landwirtschaft, Energieträger und Produktion für unverzichtbar. Die Linke will Ökologie und Gerechtigkeit mit Hilfe des Staates in Einklang bringen, durch stärkere Kontrollen und Interventionen. Bündnis 90/Die Grünen setzen Fristen für technologische Umbrüche: 2020 das Aus für die schmutzigen Kohlekraftwerke, 2030 nur noch abgasfreie Autos, 2050 nur noch erneuerbare Energie. Die AfD hält die meisten ökologischen Veränderungen für unnötig und Klimaveränderung für wissenschaftlich nicht begründet. Deutschland soll aus dem Klimaschutzabkommen austreten und dafür lieber den Heimatschutz stärken und das Schächten von Tieren verbieten. Die FDP schließlich ordnet die ökologischen Fragen klar der Wirtschaftspolitik unter. Der Markt soll die Probleme durch Alternativen im Wettbewerb lösen.

Jede Partei, die jetzt im Wahlkampf gut Forderungen erheben und Programme vorschlagen kann, wird, wenn sie an der Macht beteiligt ist, Kompromisse eingehen und Ideale abspecken müssen. Denn Politik ist immer die Kunst des Machbaren.

Liebe Freunde,
am Sonntag haben wir die Wahl. Und wenn wir an die Elbe denken, werden wir uns fragen müssen, welche Partei am besten und am konsequentesten das Machbare einfordern kann. Und jeder Wählerwille und jede Bürgerinitiative kann dazu etwas beitragen – durch Wählen oder Abwählen.

Vor 15 Jahren hat die rot-grüne Bundesregierung den Elbeaubaustopp beschlossen. Vor zwei Monaten hat ihn die schwarz-rote Regierung für die mittlere Elbe wieder aufgehoben. Im vorigen Jahr hat die schwarz-rote Bundesregierung nach über zehn Jahren endlich ein Elbe-Gesamtkonzept verabschiedet, das Ökologie und Wirtschaft in Einklang bringt. Wie das technisch zu realisieren ist, weiß bis heute noch keiner und es wird noch Jahrzehnte dauern. Wir müssen also nicht nur wählen, sondern auch wachsam und kritisch  bleiben. Die Kompromisse des Machbaren, die Ignoranz mancher Parteien und unser eigenes Konsumverhalten lassen die Bewahrung der Schöpfung immer wieder in weite Ferne treten.

Liebe Freunde,
wir, die wir uns seit Jahren für die Elbe und für die Umwelt engagiert haben, haben gewählt: wir haben die Bewahrung der Elbe gewählt. Wäre die Elbe eine Politikerin, so wüßten wir, was wir wählen: wir würden Ehrlichkeit wählen, denn die Elbe macht uns nichts vor. Sie zeigt uns ihre Schönheit, ihren Lauf, ihre Gefahr und ihre Grenzen offen und direkt. Wäre die Elbe wählbar, so würden wir mit ihr die Natürlichkeit und Bescheidenheit wählen, denn die Elbe macht auch nicht mehr aus sich, als sie ist: ein Flachwasserfluß (mehr wollen nur wir daraus machen). Wäre die Elbe eine Partei, so würden wir mit ihr eine Minderheit wählen, denn es gibt in Deutschland nicht mehr so viele naturnahe Flüsse wie sie. Und alles, was vom Aussterben oder Verschwinden bedroht ist, braucht unsere Stimme und unser Kreuz.

Liebe Elbefreundinnen und Elbefreunde,
gestern bin ich mit Ernst-Paul Dörfler in einem Schlauchboot die Elbe hinuntergefahren, kilometerweit ohne den Lärm, die Hektik, die Baustellen, den Asphalt der Städte. Ich bin wieder in die Stadt zurückgekehrt und weiß, daß es kein einfaches „zurück zur Natur“ gibt. Aber ehe das letzte Ufer gesteinigt, die letzte Buhne verlängert und die letzte Sandbank abgebaggert ist, weiß ich, daß ich am Sonntag die Partei und den Politiker wähle, die am konsequentesten der Zerstörung der Umwelt wehren und die Elbe unseren Kindern und Enkeln zurückgeben.

Elbeandacht am Domfelsen
Matthias Borowiak (links) von den Grünen spricht
auf der Elbeandacht.
Gemeinsamer Gesang zum Abschluß der Andacht.
Die an der alten Elbebastion angebrachten Zahlen weisen
auf das wechselhafte Wesen der Elbe hin: In
Hochwasserzeiten steht das Wasser bis fast an die
Bordsteinkante der Uferstraße. Die meiste Zeit des Jahres
über führt sie aber nur wenig Wasser: am Magdeburger
Elbepegel waren heute gerade einmal 89 Zentimeter
abzulesen. Sechs Meter unterhalb der Straße ist dann
der Domfelsen sichtbar, der bis in die
Mitte des Flußbettes hinein ragt.

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